Karl Plasser
Bewertet in Deutschland am 26. August 2010
0. KurzzusammenfassungInsgesamt halte ich das Nüvi 1350T für ein preiswertes Gerät. Zweifellos hat es seine Macken, aber die entscheidende Funktion - navigieren - erfüllt es nach meiner Erfahrung sehr gut. Ein herausragender Zusatznutzen ist die Möglichkeit Daten (Wegpunkte, Routen, eigene POIs) mit allen anderen Garmingeräten auszutauschen.1. Hardware1.1. VerpackungDie Verpackung ist erfreulich klein gehalten. Anders als viele andere Hersteller hat Garmin wirklich nur soviel Karton und Plastik verwendet, wie wirklich nötig ist. Die Umwelt dankt's. ACHTUNG aber, wenn man vorhat, das Ding zu retournieren. Für diesen Fall sollte man sich genau einprägen, was wo wie verstaut war, sonst bringt man die einzelnen Teile nie wieder in die Verpackung.1.2. Gerät1.2.1. GehäuseDas Gerät gefällt mir. Das Design ist unaufdringlich und schlank - viel Display und wenig Rahmen. Die verwendeten Materialien wirken hochwertig. Vor allem die gummierte Rückseite ist praktisch. Wenn man das Gerät mal schnell zur Seite legen muss, macht es sich nicht gleich selbstständig. Der Displayrahmen in Silber ist Geschmacksache. Auf jeden Fall ist er aber viel besser als der neuerdings moderne Klavierlack. Er bekommt einfach keine "Fetttatzen" vom Angreifen und sieht nach nunmehr drei Wochen intensivster Nutzung immer noch wie frisch aus der Verpackung aus. Die Passgenauigkeit ist leider nicht besonders. Der Rahmen hat ein deutliches Spiel. Auf die Funktion hat das aber keinen Einfluss und hören tut man's auch nicht. Deshalb ist es mir auch egal und rechtfertigt meiner Meinung nach keinen Punkteabzug.1.2.2. AkkuDer Akku ist ein Schwachpunkt. Die Navigationsart "Fußgänger" hätte sich Garmin getrost sparen können. Mit knapp zwei Stunden Stand-Allone-Laufzeit ist das Gerät eindeutig nicht für touristische Erkundungen geeignet. Leider kann der Akku auch nicht getauscht werden. Daher ist die Variante "Reserve-Akku" auch vom Tisch. Andererseits muss man fair bleiben. Von Hamburg bis Husum (bei gemütlicher Fahrt und Frühstücks-Zwischenstopp nicht ganz 2 Stunden) reichte der Akku und hatte dann noch etwas Reserve.1.2.3. DisplayDas Display ist mit 4,3" für meine Begriffe fürstlich (bisher hatte ich 3,5") und auch bei starker Sonneneinstrahlung noch gut ablesbar. Die Touch-Funktion klappt ebenfalls sehr gut. Das Gerät reagiert auch auf leichten Fingerdruck und erkennt die gewünschte "Klick-Position" sehr genau, was angesicht eher kleiner Bildschirm-Tastatur auch notwendig ist.1.2.4. GPS-EmpfängerDie neue GPS-Empfänger-Generation hällt, was die Werbung verspricht. Die Time-to-Fix ist wirklich extrem kurz und der Empfänger selbst unter widrigsten Umständen - Wiener Häuserschluchten mit Straßenbahnoberleitung - nicht aus der Ruhe zu bringen.1.2.5. LautsprecherIch habe die Lautstärke auf 75% eingestellt und komme damit auch bei Autobahntempo und drei Kindern auf der Rückbank ganz gut zu Rande. Versuchsweise hatte ich den Lautsprecher auf schon voll aufgedreht, das war aber schrecklich. Außer blechernem Gekrächze und Klirren kam eigentlich nichts mehr heraus.1.3. Ladekabel mit 12 Volt-KFZ-Stecker und integriertem VerkehrsfunkempfängerDas Ladekabel ist leider unglücklich ausgeführt. Es ist mit rund 100 cm Länge für "Unterputz-Verlegung" deutlich zu kurz. Außerdem ist es ziemlich bockig, da es nicht bloß ein Kabel enthält, sondern unverständlicher Weise eine zweite Stromversorgung für den Verkehrsfunkempfänger parallel führt. Zu allem Überfluss hat es auf der Männchen-Seite keinen USB-Stecker, sondern einen monströsen 12 Volt-KFZ-Stecker. Damit wird eine Verlängerung für die versteckte Verlegung des Kabels unmöglich. Dem steht auch der ziemlich klobige Verkehrsfunkempfänger entgegen, der ca. 10 cm vor dem weiblichen Ende des Kabels montiert ist und selbst ebenfalls ca. 10 cm lang ist. Damit stehen für den Einbau bestenfalls 80 cm zur Verfügung. Überhaupt verstehe ich nicht, warum die Verkehrsfunkempfänger immer in das Ladekabel integriert sind. Wieso kann das Ding nicht einfach im Navi stecken und auch gleich eine integrierte Antenne haben? Die mitgelieferte Wurfantenne ist jedenfalls kein Designwunder. Das Kabel ist ziemlich steif und durch die kantige Wicklung bei der Verpackung in Zieharmonika-Form gebracht. Erst nach einem Tag in der prallen Sonne war der Kunststoffmantel so elastisch, dass sich das Kabel vernünftig (also glatt) verlegen ließ.1.4. Halterung mit SaugnapfDer Saugnapf sieht stabil und ausreichend dimensioniert aus. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen, da ich in meinem Auto einen fixen Halter habe, auf den ich das Garmin-eigene Kugelgelenk aufsetzen kann. Entgegen aller Erwartung ist dieses Kugelgelenk sehr positionsstabil. Ich hatte angenommen, dass das Navi schon bei der geringsten Erschütterung auf der Kugel rotieren würde. Dem ist aber nicht so, es hält sehr brav die Lage. Dennoch erscheint mir die Garmin-Variante nicht wirklich glücklich. Die Einpunktfixierung hat zur Folge, dass das Gerät stark zu vibrieren beginnt. Das hat sicher auch mit dem großen Display und der damit verbundenen Hebelwirkung zutun. Die Flächen-Halterung mit zwei oder vier Haltepunkten, wie sie z. B. bei TomTom üblich ist, hat hier deutliche Vorteile.2. Software2.1. Onboard-Software2.1.1. GerätestartDer GPS-Empfänger hat sehr schnell eine Position. Wenn man das Gerät mitten in einer Navigation ausschaltet, die Route verlässt und das Navi dann wieder einschaltet, kommt die neu gerechnete Navigationsansage lange, bevor die Systemoberfläche bereit ist. Leider kommt diese Situation sehr selten vor. Viel öfter ist es so, dass man einfach eine neue Route starten will und dann hilft der schnelle GPS-Empfänger gar nichts. Denn dann muss man erst ewig (ca. 1/2 Minute) warten, dann den Lizenzbestimmungen zustimmen (das kommt bei jedem Gerätestart!) und dann noch einmal etwa 1/2 Minute warten. Sowas wie Standby oder Warmstart habe ich noch nicht gefunden, das wäre aber wirklich hilfreich.2.1.2. StartbildschirmDie Oberfläche ist simpel. Die Tasten "Zieleingabe", "Karte", "Lautstärke" und "Extras" sind selbstredend. Mehr gibt's nicht, also kann man auch nichts falsch machen.2.1.3. zweite SystemebeneWer sein Nüvi "as is" verwendet, also nichts mit PC-Synchronisation am Hut hat und auch sonst keine eigene Kreativität einbringen will, der wird weiterhin gut bedient und glücklich an nahezu jedes Ziel in 41 Ländern Europas kommen. Wer sich jedoch nicht mit "zuhören und folgen" zufrieden gibt, der wird feststellen, dass es ab der zweiten Programmebene vorbei ist mit bedingungslos selbstredend. Da schlagen dann immer wieder Eigenheiten durch, die teils Garmin-Kuriositäten sind, teils handelt es sich um Macken, die sich aus Übersetzungsschwierigkeiten ergeben und teils sind es einfach unerklärliche Skurilitäten. So bietet Garmin z. B. die Möglichkeit am PC selbst Points of Interest (POIs) zu erstellen und auf das Nüvi zu übertragen. Wer nun glaubt, die fänden sich unter Points of Interest wieder, wird enttäuscht. Tatsächlich wird man in der Rubrik Extras > Benutzer POIs fündig. Ähnlich sieht es mit der Zielsuche aus. Wer nur mal eben in eine bestimmte Stadt will, aber keine genau Adresse hat, kann nicht einfach unter der Rubrik Adresse nur die Stadt eingeben. Nein, er muss auf die zweite Seite der Zieleingabe blättern und kann dort die Rubrik Städte auswählen.Wirklich unangenehm wird's, wenn man genug hat von der netten Plauderstimme, die einem in 27 Sprachen (ich hab's nicht wirklich gezählt) erklärt, wo's lang geht. Es gibt nämlich auf der Karte keine Stumm-Taste. Dazu muss man zurück auf den Startbildschirm. Dort stellt man erstaunt fest, dass plötzlich zwei neue Schalter da sind (Stopp und Fortsetzen). Dann wechselt man in das Menü Lautstärke, klickt dort auf Stumm, bestätigt mit OK, kommt zurück ins Hauptmenü und gelangt mit Klick auf Karte wieder in die Navigationsansicht. In der Stoßzeit in einer fremden Stadt ist das ziemlich viel Ablenkung vom Straßenverkehr.2.1.4. Navigation und AnsagenDie Routenberechnung lässt sich nach den Kriterien "schnellste Route", "kürzeste Route" und "ökonomischste Route" priorisieren. Außerdem kann man dem Nüvi noch sagen, wie man unterwegs ist (Auto, Motorrad, Fahrrad, zu Fuß, LKW, Rettung, ...) und natürlich fließt auch noch der Verkehrsfunk in die Navigation mit ein.Die Varianten "schnellste Route" und "kürzeste Route" liefern plausible Routenvorschläge. Die Variante "ökonomischste Route" ist für mich aber nicht nachvollziehbar. Die Programmierer gingen scheinbar davon aus, dass Autobahn weniger ökonomisch ist, als Landstraße oder innerstädtische Straßen, ohne Rücksicht auf Ampeln, Kreuzungen und sonstige Hindernisse für gleichmäßiges Fahren. Außerdem fehlen der Karte Höhendaten, daher werden Steigungen nicht berücksichtigt.Die verschiedenen Verkehrsmittel habe ich noch nicht ausprobiert. Ich war immer mit "Auto" unterwegs und da gab es bis dato keine Schwierigkeiten mit verkehrten Einbahnen oder Ähnlichem. Besonders positiv fiel mir auf, dass zumindest im Modus Auto die Schätzungen für die Ankuftszeit selbst auf lange Distanzen (150 km und mehr) bis auf einzelne Minuten stimmen.Für die Ansagen werden zwei Qualitätsstufen mitgeliefert. Außerdem kann man die Ansagen selbst aufnehmen. Garmin bietet dafür ein Gratisprogramm, das wirklich sehr bedienerfreundlich aufgebaut ist. Allerdings stellte ich fest, dass es gar nicht einfach ist, eine brauchbare Aufnahmequalität zu erreichen. Dazu muss man ganz schön viel testen und justieren. Noch viel schwieriger ist es aber eine angenehme Stimme zu finden - die eigene ist es bestimmt nicht und auch Stimmen aus der Verwandtschaft (z. B. der besten aller Ehefrauen) kommen auf die Dauer nicht gut an. Ich bin daher wieder zu den Standardstimmen zurückgekehrt. Da gibt es eine weite Auswahl, die einfach nur "links", "rechts", oder "gerade aus" sagen und dann gibt es noch ein paar, die außerdem die Straßennahmen ansagen - das sind die echten Helfer.Die Verständlichkeit der Ansagen ist gut, Intonation und Betonung sind brauchbar. Besonders die Aussprache ausländischer Straßennahmen (z. B. deutsche Ansage dänischer Straßen) ist aber ziemlich fragwürdig. Das ist aber nicht so tragisch, weil die Straßennahmen auch auf der Karte angezeigt werden. Im schlimmsten Fall kann man also Plan und Wirklichkeit einfach Buchstabe für Buchstabe vergleichen. Echte Fehler in der Aussprache gibt's nur bei direkt hintereinanderfolgenden Richtungsänderungen. Da wird beim Wort "abbiegen" das "g" weggelassen ("in 50 m links in die XY-Straße abbiegen, dann rechts in die YZ-Straße abbie-en"). Wenn man Flöhe suchen will, bitte, hier ist einer.Wie sich die Funktion des Verkehrsfunkempfängers auswirkt, kann ich (noch) nicht beurteilen. Ich bin noch nie in einen Stau gekommen. Ob das eben deshalb war, oder weil ich einfach Glück hatte, weiß ich nicht.2.2. KartenmaterialZumindest in Österreich und Deutschland bin ich bis jetzt mit der Hausnummerngenauigkeit sehr zufrieden. Auch bei neuen Kreuzungen und Kreisverkehren gab es bisher noch keine bösen Überraschungen. Die Angaben über Geschwindigkeitsbegrenzungen sind aber peinlich. Auf Autobahnen gibt's Fehler (Bsp. Stadtautobahn in Linz: Das Nüvi würde mir 130 erlauben, wo seit über zehn Jahren nur 80 zulässig sind). Abseits der Hauptverkehrsrouten ist es ganz aus mit Tempolimits. Das konnte mein altes 79 Euro Navi wesentlich besser.Was mir an Garmin gefällt, ist die Möglichkeit, die Karten zu tauschen, zu erneuern oder zu erweitern. Bei Original-Garmin-Karten ist das zwar nicht billig, aber sehr einfach und wer sich ein wenig tiefer in die Materie einarbeitet, der findet im Internet ganz legale Gratiskarten (Open-Source-Maps) von praktisch jedem Winkel der Erde. Das gibt's bei keinem anderen Navi-Hersteller.2.3. PC-SoftwareMit dem Nüvi wird zwar keine PC-Software mitgeliefert, aber Garmin bietet inzwischen Gratissoftware für sehr viele Funktionen.2.3.1. Mapsource *)Das ist die Standardsoftware um Daten (Karten, Wegpunkte, Routen, Tracks) mit dem Gerät auszutauschen. Die im Nüvi enthaltenen Karten können zwar nicht auf den PC übertragen werden (die Lizenzpolitik schlägt zu), Wegpunkte, Routen und Tracks können aber gelesen und geschrieben werden.2.3.2. BaseCamp *)Das ist der Nachfolger von Mapsource. Meiner Meinung nach viel komfortabler, aber das ist Geschmacksache. Auch hier kann die Karte nicht auf den PC übertragen werden. Alles andere klappt aber einwandfrei. Insbesondere bei der Verwaltung von Wegpunkten ist es ein echter Fortschritt. Da gibt es nun auch die Möglichkeit Kommentare, Fotos und Hyperlinks zu erfassen.2.3.3. POI LoaderDamit werden selbst erstellte oder herunter geladene POIs auf das Navi überspielt.2.3.4. Voice StudioDas neueste Spielzeug, gut geeignet für Familienkrach - damit kann man nämlich die Ansagen selbst erstellen.*) Meiner Meinung nach die wichtigste Zusatzfunktion des Nüvi ist die Trackaufzeichnung. Das heißt, dass das Navi automatisch jede Sekunde die aktuelle Position, die Bewegungsrichtung und die Geschwindigkeit speichert. Aufgrund der Aufzeichnungsdichte ergibt sich insbesondere für Änderungen in Geschwindigkeit und Richtung eine sehr hohe Genauigkeit. Man hat also für den Fall der Fälle sowas wie eine sehr simple Blackbox im Auto. Die ist zwar nicht geeicht und natürlich kann sie jeder Richter im Rahmen der Beweiswürdigung ablehnen, aber es ist sehr wahrscheinlich mehr, als der Unfallgegner zu bieten hat.