F.K. Hoffmann
Bewertet in Deutschland am 23. Januar 2014
Über Martin Scorseses bahnbrechend-wegweisendes Meisterwerk "Taxi Driver" wurde natürlich schon alles gesagt. Angesichts der Sichtung dieser neuen, wunderbar umgesetzten Blu-Ray erscheint es mir jedoch sinnvoll, dieses unter meinen Top 10-Lieblingsfilmen befindliche, bereits weit über 20 mal gesehene und über die Jahre immer wieder tiefgehend analysierte Kunstwerk mit ein paar Worten persönlich zu würdigen. Wer diese Worte nicht lesen will und nur an der Umsetzung und den Bonusfeatures interessiert ist, kann die nächsten Paragrafen gerne überspringen."Taxi Driver" ist ein Film, der einen, wenn man ihn einmal gesehen hat, nie wieder loslässt und auch nach zigmaligem Ansehen absolut nichts an seiner beispiellosen Intensität und förmlich spürbarer, sich in einer Welt zwischen fieberhaftem Wach- und Traumzustand wandelnden Atmosphäre verliert. "Taxi Driver" ist wahrscheinlich die essentielle Charakterstudie, einer der essentiellen Nacht-, New York-, ja eigentlich auch Großstadtfilme und der wohl zentrale Film über Einsamkeit. Manche Filme verlieren ja über die Zeit an Kraft, sind nicht mehr zeitgemäß oder wirken technisch veraltet, sodass der Zugang für neue Zuschauer vielleicht schwer fallen kann. Aber wer auch nur im mindesten Filmkunst gegenüber aufgeschlossen ist, der muss eigentlich von "Taxi Driver" fasziniert sein. Der Film ist heute filmisch genau so vital und vibrierend und inhaltlich so relevant, wie auch in den letzten fast vier Jahrzehnten seit seiner Veröffentlichung.Der Film entfaltet jedes Mal wieder, vom ersten bis zum letzten Bild, eine hypnotische, unter die Haut gehende Kraft, auf die man so nicht oft trifft. "Taxi Driver" ist eine hundertprozentig erfüllte künstlerische und persönliche Vision, nicht nur von Scorsese, sondern auch von Drehbuchautor Paul Schrader und Robert De Niro, der mit Travis Bickle eine der ikonischen Performances der Filmgeschichte schafft. Der Film ist so radikal und furchtlos, so bedingungslos in seiner nihilistischen und verbitterten Weltanschauung, wie Filme nur sein können, mit Leib und Seele dem Ziel verbunden, einem sozial unfähigen, womöglich rassistischen Charakter zu folgen, der nicht um die Sympathie der Zuschauer buhlt. Das ist auch eine der entscheidenden Meisterleistungen des Films, denn man ist von dieser dem Wahnsinn verfallenden, seelisch vernarbten Figur einfach magisch angezogen, obwohl man weiß, dass er den falschen Weg einschlägt. Das liegt natürlich auch ganz entscheidend an De Niros einmalig intensiven Method Actor-Präsenz, die Faszination und Sympathie für den Charakter erweckt. Die Darstellung ist grundlegend menschlich, ja oft unschuldig, anmutig, träumerisch, charmant und sogar oft witzig, wodurch das Abdriften in Traurigkeit und abstoßende Hass- und Gewaltfantasien erst so schmerzlich wirkt. Wer das Gefühl von Einsamkeit kennt, der wird sich auch mit Travis Bickle identifizieren müssen.Zudem ist "Taxi Driver" einer der maßgebenden 70er Jahre-Filme. Ein Zeitdokument einer Nachkriegszeit, in der viele junge Männer von ihrem Aufenthalt in Vietnam geschädigt zurück in die Gesellschaft kommen und keinen Anschluss finden, sozial nicht funktionieren können. Doch dieses Kriegstrauma-Element ist nicht entscheidend zum Verstehen des Films, denn die Thematik bleibt zeitlos und universell. Man muss nicht im Krieg gewesen sein oder traumatisiert sein, um Travis Bickle nachvollziehen zu können. Desweiteren ist "Taxi Driver" ein eindrückliches Zeitdokument eines verfallenden, schäbig-zwielichtigen, dampfenden, neonleuchtende, der Hölle gleichenden New York City, eine Stadt, die heute ein ganz anderes Gesicht hat. Die nahezu dokumentarische, aber dennoch durch die Augen von Travis düster stilisiert wirkende Perspektive der urbanen Welt in "Taxi Driver" ist unendlich faszinierend und sucht seinesgleichen. Dazu kommt Bernard Herrmanns tief unter die Haut gehende jazzige Filmmusik, das grundsätzlich nur aus zwei zentralen Hauptmotiven besteht, die Bickles Innenleben und die nächtliche Einsamkeit und Urbanität perfekt untermalen.Besonders bemerkenswert ist auch immer noch die moralische Ambivalenz des Films, die natürlich besonders zum Schluss zum Tragen kommt, die Unterscheidung zwischen Held und Monster. Somit bietet der Film immer noch eine perfekte Grundlage für ausgiebige Diskussionen, denn Scorsese und Schrader ersparen sich eine moralische Wertung des Geschehens, sie zeigen die Welt schlicht so, wie sie ist.Bei all dem Lob für De Niro darf man natürlich auch nicht die brillanten, perfekt besetzten Nebendarsteller vergessen, darunter Cybill Shepherd als engelsähnliche politische Kampagnenhelferin Betsy, in die sich Travis verliebt, Jodie Foster als Kinderprostituierte, Harvey Keitel als ihr farbenfroher und abstoßender Zuhälter oder Albert Brooks, der als Betsys Kollege willkommene Humor in die düstere Welt von "Taxi Driver" bringt.Keine Frage, "Taxi Driver" ist einmalig, in allen Bereichen einzigartig und grundsätzlich makellos umgesetzt. Dem folgt auch die tolle Blu-Ray-Umsetzung:BILD:Das Bild (MPEG4/AVC, 1080p, 1,85:1, 16:9) sah wohl seit der Kinopremiere nie so gut aus. Es entspricht einem neuen 4K-Remastering, das von Scorsese und Kameramann Michael Chapman persönlich überwacht wurde. Man kann definitiv sagen, dass die gewünschte Optik des Films umgesetzt wurde. Das Bild ist meistens herausragend (natürlich dem Alter entsprechend) scharf, das charakteristische feine Filmkorn wurde aber gottseidank nicht entfernt. Lediglich bei Nachtszenen ist das Bild oft grobkörniger und hier und da auch etwas rauschig. Das fällt aber nicht ins Gewicht, so behält der Film auch seine düster-dreckige Qualität. Die Farbwiedergabe ist wunderbar, der Detailumfang vor allem bei Tagesszenen bemerkenswert.TON:Auch im Tonbereich wurde hier ein wunderbarer Job gemacht. Ich kann aktuell nur die Original-Tonspur bewerten, diese (DTS HD Master 5.1) ist aber stellenweise überraschend räumlich. Besonders bei der Musik fällt dies auf, denn verschiedene Klangelemente werden auch subtil auf die hinteren Boxen verteilt. Ansonsten ist der Sound schön kraftvoll, hat viele Höhen und Tiefen. Auch die Stimmen sind sehr gut abgemischt und sind perfekt verständlich. Grundsätzlich ist der Film aber weitestgehend frontlastig abgemischt. Allein die Musik sorgt aber für eine wundervolle Stimmung.EXTRAS:Hier wird wirklich aus dem vollen geschöpft: Neben dem bereits ursprünglich auf der DVD enthaltenen herausragenden Making-Of (Dauer: 1:10) finden sich eine Reihe weiterer, neu produzierter, in HD vorliegenden Extras wieder, die dem Fan wirklich alles bieten, was man sich wünschen kann. Hier das Bonusmaterial:- Interaktives Drehbuch: Wie der Name schon sagt, Paul Schraders Originaldrehbuch läuft im unteren Bilddrittel während des Films mit. Wahlweise kann man aber auch selbst durchscrollen, die Filmgröße einstellen oder Lesezeichen setzen. Ein hübsches Zusatzfeature.- Audiokommentar von Martin Scorsese und Paul Schrader aus dem Jahr 1986 (entstammt der amerikanischen Criterion Collection)- Audiokommentar von Paul Schrader- Audiokommentar von Professor Robert Kolker (Autor des Buchs "A Cinema of Loneliness")- Martin Scorsese über Taxi Driver, New York 2006 (16 Minuten): Hier redet der Regisseur größtenteils über eine Reihe von Filmen, die ihn zu "Taxi Driver" inspiriert haben- Die Produktion (10 Minuten): Produzent Michael Phillips berichtet von der interessanten Entwicklung des Filmprojekts.- Gottes einsamster Mann (22 Minuten): Paul Schrader berichtet ausführlich und sehr persönlich über die Entstehung des Drehbuchs- Einflussnahme und Würdigung: Ein Tribut an Martin Scorsese (18:30 Minuten): Eine Würdigung diverser Weggefährten von Scorsese, darunter Oliver Stone, Schrader, Chapman, Phillips, De Niro, Roger Corman)- Taxifahrer Geschichten (22:23 Minuten): Überaus interessantes Feature, bei dem diverse New Yorker Taxifahrer, hauptsächlich die, die im Film portraitierte Zeit mitgemacht haben, ihre faszinierenden Anekdoten zum Besten geben.- Making-Of (70 Minuten): Siehe oben. Die Entstehung des Films eindrucksvoll rekonstruiert, fast alle wichtigen Mitarbeiter berichten von ihren Erfahrungen.- Travis' New York (06:16 Minuten): Ein Kurzfeature über das New York der 70er, von Michael Chapman und dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Howard Koch kommentiert.- Travis' Plätze in New York (insgesamt 04:49 Minuten): Eine Gegenüberstellung der Drehorte heute und damals in Bewegtbildern.- Vergleiche und Einführung in das Storyboard von Martin Scorsese (04:32 Minuten)- Gegenüberstellung der Storyboards im Film (08:21 Minuten): Unkommentierter Bild-im-Bild-Vergleich- Galerie: bestehend ausArrangements - Filmmusik (Bernard Herrmann) (02:32 Minuten): Unkommentierte, mit Filmmusik unterlegte, animierte Fotogalerie von Herrmanns PartiturenAn den Drehplätzen (02:51 Minuten): Unkommentierte, mit Filmmusik und Bickle-Monolog unterlegte Bilder vom DrehWerbematerial & Mehr (01:44 Minuten): Animierte, von Filmmusik unterlegte Bildergalerie mit Postern, Aushangfotos etc.Martin Scorsese bei der Arbeit (02:47 Minuten): Eine weitere animierte BildergalerieDas Blu-Ray-Menü ist übrigens auch sehr schön stilecht gestaltet.Schade ist nur, dass es kein Wendecover gibt. Auch über das gewählte Motiv kann man streiten, da es nicht unbedingt die Stimmung und Optik des Films adäquat wiedergibt. Aber ansonsten eine wunderbare Blu-Ray, die man sich als Fan unbedingt zulegen sollte.
Kunde
Bewertet in Deutschland am 23. November 2006
Travis Bickle, gespielt von Robert De Niro, ist ein 26jähriger Vietnamveteran, der sich als Taxifahrer in einer Großstadt wieder findet, wo er am eigenen Leib die Einsamkeit in all ihren Facetten durchlebt. Die Entfremdung ist dabei nur die Symptomatik, die in den überzeichneten Dialogen, den unglaubwürdigen Gesten und der gesamten Art, wie Bickle sein eremitisches Leben führt, zu Tage tritt. Selbst der Beruf des Taxifahrers ist nicht von ungefähr gewählt, sondern dient in der Handlung als Metapher für das Tangieren einer Welt, in die man nicht einzudringen vermag. Täglich hat Bickle etliche Male die Gelegenheit für kurze Zeit am Leben wildfremder Menschen teilzuhaben, - er bittet sogar darum Doppelschichten zu verrichten und fährt ausnahmslos auch in die finstersten Gegenden der namenlosen Stadt. Er hortet Geld an, ohne es wirklich zu brauchen, da er in der Anspruchslosigkeit seiner Gleichgültigkeit gefangen zu sein scheint und eine Zeit lang nur lebt, um zu arbeiten. Bereits hier erkennt der Betrachter, dass es nicht nur die Gesellschaft ist, die Travis Bickle ablehnt, sondern dass der inbrünstige Hass auf Gegenseitigkeiten beruht und nur durch die Person von Bickle sichtbar gemacht werden kann. Es findet keinerlei Interaktion des Protagonisten Bickle mit seiner Umgebung statt und noch dazu verläuft eine sich anbahnender Romanze mit einer Wahlkampfhelferin im Sande, ohne dass das Bickle wirklich zum Vorwurf gemacht werden könnte (Er führ sie beim Date in ein Pornokino aus). Dieses und andere Ereignisse treffen kumulativ aufeinander und verstärken dadurch die Aggression von Bickle, der vom Gedanken der eigenen Bedeutungslosigkeit gemartert wird. Die junge Prostituierte (Easy/Leicht zu Deutsch – gespielt von einer überragenden Jodie Foster) wird dabei nur zu einer Art Rechtfertigung, für die perfiden Phantasien, die sich der Waffenfreak Bickle allmählich ausmalt. Spätesten als er einen jungen Afroamerikaner in einem Supermarkt erschießt, beginnt allmählich die Initialzündung in Bickles Innerem. Mehr sollte zum Inhalt nicht verraten werden, denke ich.Der Film an sich ist wahrscheinlich einer der bedeutendsten Filme, die je gedreht wurden. Einerseits bedeutete er den endgültigen Durchbruch von Martin Scorsese als Regisseur und Robert De Niro als Schauspieler. Der Drehbuchautor Paul Shrader war an diesem Erfolg nicht unwesentlich beteiligt, - verkörperte er doch lange Zeit Travis Bickle, als er in NY als Taxifahrer jobbte und nebenher Drehbücher schrieb. Soviel zum Geschichtlichen.Die Technische Umsetzung von Taxi Driver ist mitunter einer zu jener Zeit gewagtesten überhaupt: Scorsese setzte Maßstäbe, sowohl was die Kameraführung angeht, als auch in Bezug auf die Chronologie, mit der dieser Film erzähl wird. Ihm gelingt es mit der Kamera Banalitäten auf Zelluloid zu bannen, die sich wie ein Mosaik zu einem überragenden Bild, oder besser gesagt: Psychogramm, des Protagonisten Bickle zusammensetzen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, handelt es sich bei den ersten beiden Dritteln des Filmes mehr um eine soziologisch– pathologische Studie, als um einen Streifen, der überall auf der Welt ungeahnte Erfolge feiern sollte.De Niro brilliert in der Rolle des Travis Bickle und beweist, dass er zu jener Zeit einer der wirklich wenigen Meister des „echten“ Method – Acting ist, bei dem ihm wahrscheinlich nur Marlon Brando und Steve McQueen das Wasser reichen können. Es scheint beinahe so, als hätte niemand anderes als De Niro die Rolle überzeugen spielen können. Doch auch in den Nebenrollen finden sich damalige und heutige Berühmtheiten wie Harvey Keitel, Cybill Shepperd, Peter Boyle und Jodie Foster.Weil der Film jedoch keine Explosionen bereit hält und eine längere Aufmerksamkeitsspanne als die eines Goldfisches erfordert, sollte mit ihm nicht unnötigerweise schmählich ins Gericht gegangen werden. Solche Filme wie Taxi Driver und Der Pate z.B. werden heute weder gedreht noch gerne gesehen. Das Medium Film passt sich der Konsumgesellschaft an und wird zum Mittel sterile Retortenemotionen beim Betrachter hervorzurufen, während bei Hauptdarstellern ohnehin nur auf das Aussehen geachtet wird (Selbst Q. Tarantino hält diesen Film für eines der allergrößten cineastischen Werke überhaupt!). Da tut es generell gut, sich einen Abend wirklich Zeit zu nehmen, einen Film unter künstlerischen Aspekten zu erleben, einen Film, der den Betrachter und dessen Ansichten auch ein Stück weit verändert und nicht nur hilflos an der Oberfläche der geistigen Abgestumpftheit kratzt. Genau so ein Film ist Taxi Driver.zur DVD:Enthält sehr viele Extras, von denen ich das flexible, interaktive Drehbuch als sehr interessant ansehe. Der Leser kann dabei bei jeder Textpassage direkt in den Film einsteigen und Vergleiche ziehen. Da das Drehbuch recht spartanisch ist, kann man anhand der Studie dessen, erst die wahre Raffinesse von allen beteiligten erahnen und die Arbeit, die nötig wahr um dieses Projekt zu realisieren.Das Making Of zeigt zudem Kunstfertigkeit eines M. Scorsese auf dem Zenit seines künstlerischen Schaffens.Fazit:Um den Preis ist die DVD mehr als geschenkt: KAUFEN, KAUFEN, unbedingt KAUFEN und genießen.